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Geschichte: Ostelsheim

...über die Geschichte und das Rad der Zeit

In der Zeit 73 bis 200 n. Ch. wurde das heutige Gemeindegebiet von den Römern besiedelt, die Ende des 3. Jahrhunderts durch die Alemannen verdrängt wurden. Aufgefundene alemannische Reihengräber deuten darauf hin, dass der Ort aus einer alemannischen Siedlung entstanden ist und die ersten Niederlassungen etwa im 4. Jahrhundert vorhanden waren. Im 5. bis 6. Jahrhundert wurden die Alemannen durch die Franken verdrängt. Diese führten im 6. Jahrhundert durch ihre Sendboten das Christentum ein. Im 13. und 14. Jahrhundert befand sich das Dorf im Besitz von Ortsadeligen. Nachdem das Dorf im 12. und 13. Jahrhundert verschiedene Grundherren, wie die Grafen von Tübingen, Vaihingen und Calw, und als Lehensträger damals Balsan und Friedrich von Dätzingen hatte, kam es im Jahre 1357 zusammen mit Böblingen an die Grafschaft Württemberg.

Große Not

Während der langen Geschichte von Ostelsheim hatten seine Einwohner oft große Not zu ertragen. Im 30-jährigen Krieg wurde das nahe Weil der Stadt vier mal belagert. Unter den Nachbarorten musste auch Ostelsheim für die Verpflegung der Belagerungstruppen aufkommen. Es wurde deshalb wiederholt schwer geplündert. Große Not brachten auch die Raubzüge der Franzosen unter Mélac Ende des 17. Jahrhunderts und 100 Jahre später die Feldzüge Napoleons. Die beiden Weltkriege 1914-18 und 1939-45 forderten aus der Gemeinde 97 Gefallene und Vermißte. An dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung nach der Währungsreform 1948 bis heute nahm auch die Gemeinde Ostelsheim teil. Ostelsheim behielt nach der Gebietsreform 1975 seine Selbstständigkeit und ist heute eine aufstrebende Gemeinde mit allen öffentlichen Einrichtungen für die Grundversorgung der Bevölkerung.

Sprachgrenze im Altbachtal

Mitten durch den Kreis Calw geht von West nach Ost eine Grenze, an der zwei Mundarten, von Norden die fränkische, von Süden die schwäbische, zusammen stoßen.

Gebildet wurde sie vor nahezu 1500 Jahren, als in der Folge des Zusammenbruchs  des Römischen Reiches und der Völkerwanderung Franken und Alemannen endgültig ihr Siedlungsgebiet festlegten. Die Stammesgrenze bildet natürlich auch die Mundartgrenze. Selbstverständlich sind an ihr die Übergänge fließend. Sie verläuft – in groben Zügen – von der Hornisgrinde über Enzklösterle – Bad Teinach – Stammheim und verlässt in Richtung Leonberg unseren Kreis Calw. Wie alle alten Grenzen folgt sie Bächen und Flüssen.

Ostelsheim ist zum Frankenland gekommen, unterscheidet sich aber deutlich vom enzfränkischen Dialekt der Nachbarorte Weil der Stadt und Althengstett, sowie Gechingen und Deufringen. Im Altbachtal schwätzt ma auschtelserisch (oder auschlutseritsch), ein sehr breites, langsam gesprochenes Schwäbisch.

Wir kommen (nicht) von Ostelsheim – mir kommat vo Auschtelsa. Bei uns geht keiner zur Heuet, sondern mir gean en Haibet. Im alten Dorf gibt es ein Ußerdorf, Onderdorf on Eberdorf (Oberdorf). Mar steigt net z`oberst nuff, sondern s`eberst nuff. Hier heißt es nicht „nei“, „nai“ sondern „noa“! „I fend da Weag alloa!“

Der Bomberabsturz am 24.2.1944

Bis Februar 1944 waren schon 15 Ostelsheimer als Gefallene zu beklagen. In England wurde am 24.02.1944 eine Halifax III zum Flug LW427 (Operation Schweinfurt) mit Munition bepackt. Um 18:15 Uhr startete die Maschine mit 7 Mann Besatzung zu ihrem ersten und letzten Einsatz. Tagsüber bombardierten die Amerikaner, in der Nacht in Form eines Doppelschlages die Briten die Kugellagerstadt Schweinfurt.

Etwa um 22 Uhr hörten die Ostelsheimer Fluglärm. Viele brachten sich in einem Keller in Sicherheit, andere wollten das Luftspektakel  am klaren Nachthimmel verfolgen. Es kam zu einem Kampf, man konnte Blitze sehen und Schüsse hören. Ein Flugzeug verlor schnell an Höhe und flog in Richtung Ostelsheim. Ein Nachtjäger hatte es getroffen. Der Bomber verschwand in Richtung Buchhecke und dann gab es eine starke Explosion. Einige der Beobachter liefen los um die Absturzstelle auszumachen. Das Flugzeug brannte lichterloh im östlichen Lochwald, Abt. Hirschsulz. Es war 22:30 Uhr, der klare Nachthimmel, der hohe Schnee und die großen Flammen gaben leicht einen Toten im „Schildenloch“ zu erkennen, sein Fallschirm hatte sich nicht mehr geöffnet.

Es gab ständig kleinere Explosionen im Feuer. Trotz Zischen und Knistern am brennenden Flugzeug war ein Stöhnen und Jammern zu hören. Feuerwehrmann Stahl und ein junger Ostelsheimer Soldat der auf Heimaturlaub war, bargen unter Lebensgefahr einen Piloten der eingeklemmt in den Gurten hing. Die Worte des Schwerverletzten konnten nicht verstanden werden und er verlor bald das Bewusstsein.

Dem Bürgermeister Gehring wurde kurz nach 12 Uhr Meldung gemacht: „In der Hirschsulz ist ein viermotoriger englischer Bomber abgestürzt und brennt. Ein Schwerverletzter wurde unter Lebensgefahr aus dem brennenden Flugzeug geborgen. Im Schildenloch, etwa 50 Meter vom Waldrand entfernt, wurde ein toter Pilot gefunden. Weitere Insassen sind in den Flammen nicht auszumachen.“ Ein Bauer wurde losgeschickt mit dem Pferdeschlitten die Geborgenen ins Rathaus zu holen. Beim Eintreffen des Schlittens war der Schwerverletzte inzwischen auch verstorben. Am 25.02.1944 wurde vorschriftsmäßig vom Bürgermeister das Bergungskommando der Luftwaffe in Echterdingen verständigt, welches noch am gleichen Tag hier eintraf. Es wurden Fragebogen über die zwei Piloten, Leutnant  LONG und Oberfeldwebel CRAWLEY ausgefüllt. Das Flugzeug wurde von Männern der Feuerwehr bewacht. Die Toten wurden in Einzelsärgen im unteren Rathaussaal aufgebahrt. Das Bergungskommando gab dem Bürgermeister den Auftrag für die Bergung der verkohlten Leichenteile zu sorgen, sobald es die Hitze an der Brandstelle zulässt. Die verkohlten Leichenteile der 5 verbrannten Piloten wurden alle in einen gemeinsamen Sarg verbracht. Hierbei wurden noch zwei Erkennungsmarken gefunden. RAY J. Gile 10601564T42-3CPL JOHN GILE 37548862 und CAN RII 1564 AIRMANN MA KNIGHT RC R CAF. Zu welchen der Leichenteile die Erkennungsmarken gehörten, konnte nicht mehr festgestellt werden.

Bürgermeister Gehring hatte entgegen den Anweisungen der Partei , die Flieger als Terrorristen zu behandeln, für eine feierliche Bestattung Sorge getragen. Am 28.02.1944 um 17 Uhr fand die Beisetzung auf dem Friedhof unter großer Teilnahme der Bevölkerung, wie auf einem heimlich gemachten Foto zu sehen ist, statt. Die Grablage gleich rechts am Eingang wurde ausgewählt um eine spätere Ausgrabung für eine Überführung möglich zu machen.

In der Eigenschaft als Bürgermeister hielt Otto Gehring einleitend einen Nachruf:“ Meine lieben Mitbürger! Zur außergewöhnlichen Stunde und unter außer gewöhnlichen Umständen haben wir uns hier auf unserem Friedhof versammelt. Wir bedauern zwar heute keinen Dorfgenossen oder nächsten Angehörigen, sondern es hat sich auf unserem Friedhof das erste Massengrab für die Besatzung  einer feindlichen Flugzeugbesatzung  von 7 Mann geöffnet. Ich weiß, dass hier viele Menschen und bestimmt die Führung ein christliches und menschenwürdiges Begräbnis ablehnen, doch von uns Ostelsheimern wird sie in der überwiegenden Mehrheit bejaht. Wir haben selbst Söhne unserer Gemeinde an der Front und können mitfühlen, wie es den Eltern zumute wäre, wenn sie in Erfahrung bringen würden, dass ihre Söhne als Terrorristen nur verscharrt wurden. Eine Beisetzung, wie sie an sich vorgeschrieben ist, würde uns keine Befriedigung geben. Es liegt uns fern, mit dieser Handlung die Gunst unserer Feinde zu erwerben, sondern wir handeln als Christen. Da es sich wohl um Angehörige einer christlichen Kirche handelt, soll ihnen auch ein christliches Begräbnis zuteil- werden.“

Anschließend sprach der Ortsgeistliche Pfarrer Helbling und segnete die Leichen ein.

Beim Einmarsch der Franzosen am 21.4.1945 hing an sämtlichen Häusern in Ostelsheim  ein Plakat, verfasst von den französischen Kriegsgefangenen und Bürgermeister Gehring:“ ATTENTION! Ostelsheim hat an einem schönen Platz  auf dem Friedhof ein Grabmal errichtet, das kanadischen Piloten gewidmet ist, die am 25.02.1944 nach einem Flugzeugabsturz verstorben waren. Wir
französischen Kriegsgefangen sind in Ostelsheim sehr gut  behandelt worden.“

Das DIN A4 Plakat wurde von den französischen Kriegsgefangenen eigenhändig unterschrieben. Bürgermeister Gehring fand in Weil der Stadt noch eine Druckerei, die in der Nacht die Plakate druckte, sodass in den frühen Morgenstunden des 21. April  die Zettel schon an Türen und Fensterläden befestigt werden konnten. Als die Besatzer in Ostelsheim einmarschierten haben die französischen Kriegsgefangenen als freie Menschen dafür gesorgt, dass in Ostelsheim kein Haus und kein Bürger zu Schaden kommen sollte.

Ein paar mutige Männer und Frauen haben dazu beigetragen, dass in dieser unmenschlichen Zeit auch noch ein wenig Platz für Menschlichkeit war. Das Plakat zeigte Wirkung. Es gab in Ostelsheim keine größeren Vorkommnisse. Wer weiß, was alles geschehen wäre, hätte man die abgestürzten Flieger als Terroristen irgendwo in einem Graben verscharrt.

Autorin: Irmgard Hülse

Haus der Geschichte BW

Das Haus der Geschichte BW beschäftigt sich mit der Geschichte von Baden, Württemberg und Hohenzollern seit 1800.

www.hdgbw.de